Hallo Gemeinde
In einer Gruppe beim großen F fand ich eine sehr interessante Beitragskette, wo ein junger Mann in den 60er Jahren mit seinem Lloyd nach Indien fuhr. Diese Serie ist sehr lesenswert, man kann auf der Couch die Reise miterleben und somit möchte ich sie euch nicht vorenthalten. Natürlich habe ich bei Jörn Raeck nachgefragt, ob ich seinen Beitrag hier ins Forum kopieren darf.

Viel Spaß beim Lesen und Träumen
Coronazeit. Zeit im Leben zu kramen.
Ab heute sporadisch Geschichten aus meinem Leben...
April 1968. Mit 25 Jahren gehe ich per Anhalter auf eine Reise in die weite Welt. Das Geld hierzu will ich mit meiner Gitarre verdienen. Als in Spanien das Trampen arg mühsam wird, heure ich in Malaga auf einem Segelboot an, das ab den Kanaren über den großen Teich nach Amerika segeln soll. Leider zwingt mich meine Seekrankheit noch fast auf Höhe der Sahara Espagnol wieder an Land zu gehen. Entlang des Mittelmeeres gelange ich nach Lybien, weiter nach Ägypten, den Libanon und die Türkei. Ich bin das Trampen aber leid, zumal ich mit meiner Gitarre gutes Geld verdienen kann. Deshalb trampe ich heim, um mir für die Fortsetzung der Reise ein geeignetes, preiswertes Auto zu kaufen. Meine Wahl fällt auf einen Lloyd Alexander TS für 250 DM vom Schrotthändler, es ist ja nicht mein erster Alexander! Wieso er so billig ist, versteh ich nicht: 40.000 km gelaufen, kaum Rost, nur das übliche Gerappel, wenn der Silentblock am Getriebe hinüber ist....
Für die lange Reise galt es nun, die richtigen Ersatzteile für meinen Lloyd mitzunehmen. Vieles hatte ich noch aufgehoben, aber einen zweiten Motor und ein zweites Getriebe musste ich noch erwerben, dazu einen stabilen Dachgepäckträger mit 2. Ersatzreifen. Es gab viel Stauraum in den Vorderkotflügeln des Lloyd, da landeten dann Silentblöcke und Bremsbacken, Bremszylinder und ein Ersatzanlasser, Vergaser und Zündspulen, Benzinpumpe und Luftfilter und Schraubzwingen, um gebrochene Federn zu reparieren . Im Innenraum nutzte ich die Hohlräume hinter den Hinterkotflügeln für Plastikdosen mit Küchenutensilien und als Versteck für Reserveausrüstungs- gegenstände, was sich später als sehr klug erweisen sollte. Ein kleiner Lederkoffer wurde mit Klamotten gefüllt, mein dicker, schwerer US Federschlafsack kam wieder zu Ehren, ich nähte Gardinchen für die Fenster und packte die notwendigsten Küchenutensilien ein. Da der Alexander bereits ab Werk und laut Betriebsanleitung als 'Schlafwagen' konzipiert worden war, musste ich hier gar nichts selber ändern: durch Herausschieben der Vordersitze und - nach Herablassen der Rückenlehnen - wieder umgekehrtes Einschieben in die Sitzaufnahmeschienen entstand zusammen mit der hinteren, wenige Zentimeter aufzustellenden Sitzfläche ein quasi glattes Bett für 2 Personen!
Anfang September 1968 machte ich mich auf zum 2. Teil meiner großen Reise.
See you, Christmas in Kathmandu
...das war wohl in den sechziger Jahren die Losung von Aussteigern, Hippies oder Alternativen auf dem Weg gen Osten, gen Asien.
Für mich jedoch lagen zu dieser Zeit Afghanistan, Nepal und Indien gänzlich außerhalb meiner Phantasiewelt, kaum hätte ich sagen können, wie man dorthin gelangt! Und doch sollten gerade diese Länder bestimmend werden für mein gesamtes, späteres Leben .....
Meine Motivation nach Indien zu reisen war sehr pragmatisch: Indien war das weitest entfernte Land, das man ohne längere und kostenintensive Schiffahrt über Land mit dem Auto erreichen konnte - einzig für die Überfahrt am Bosporus musste man ein Schiff nehmen. Damals - Jahrzehnte später verband dann eine ellenlange Brücke Europa mit Asien und vorbei war die romantische Überfahrt!
Ich hatte eine Karte im riesigen Maßstab von Kümmerly und Frey erworben, da waren die Hauptstraßen bis Indien zu erkennen. Später erfuhr ich, dass schon damals der ADAC seinen Mitgliedern wunderbare Routenpläne bis Indien ausarbeitete, doch war mir der ADAC zu dieser Zeit noch recht fremd. Es war noch eine Zeit, wo nicht fast jeder dort Mitglied war. Auf meiner Fahrt gen Asien hatte ich deshalb auch einiges Werkzeug dabei, um unter Umständen liegengebliebene Fahrzeuge wieder fit zu machen und so die Reisepasse aufzubessern.
Da ich endlich wieder Autobesitzer war, wollte ich natürlich auch Tramper mitnehmen. Das ging soweit, dass ich hinter Köln die Autobahn verlasse, um auf der Auffahrt nach Trampern zu schauen. Während der Fahrt kann ich den Beifahrersitz auch mit dem Rücken zur Fahrtrichtung einschieben, sodass man sich von Angesicht zu Angesicht gegenübersitzt.( Das war möglich, da es noch gar keine Sicherheitsgurte gab, jedenfalls nicht in dieser Autoklasse…).
Gemütlich geht es bis Österreich, meist fahre ich gerade mal 80 bis 90 km/h( Spitze wäre 115 gewesen, aber da wurde es dann doch recht laut). Doch so manchen flitzenden Porsche oder Mercedes hole ich wieder ein, wenn dieser, von der Raserei genervt, Pause in einer Raststätte gemacht hat.
In Jugoslawien nehme ich nicht etwa den schnellsten Weg über den sogenannten Autoput, sondern fahre die Küste entlang über Dubrovnik nach Pec. Ich habe ja alle Zeit dieser Welt, warum sollte ich den unfallträchtigen und langweiligen Autoput durch Zentraljugoslawien nehmen? Und doch hätte meine Reise hier schon fast ein jähes Ende genommen, wenn da nicht ein Schutzengel gewesen wäre: Ich befuhr nachts - das war schon ein Fehler - eine schmale Bergstraße zwischen Pec und Prizren, ganz nah bei Albanien, als mir ein Motorrad entgegenzukommen schien. Einer inneren Stimme folgend, hielt ich mich ganz scharf rechts. Das war mein Glück, denn das Motorrad entpuppte sich als dicker Laster mit nur einem, dem rechten Scheinwerfer! Adrenalin!
Probleme macht mein Alexander bei heftigem Regen: dann bleibt er wie ein Esel ganz einfach stehen und ist erst nach einer Pause von 30 Minuten wieder zur Weiterfahrt zu bewegen! Ich nutze dann diese Zeit fürs Einkaufen, Karten studieren oder Frisör gehen...Diese Macke freilich tauchte nach Verlassen von Jugoslawien nie mehr auf
Danach hat es nämlich eigentlich nie mehr richtig geregnet!! .
Seltsame Geräusche im Getriebe veranlassen mich 'mal eben' an der griechisch-türkischen Grenze das Getriebe zu tauschen. Dank der genial einfachen Konstruktion dieses Autos, ist das ja gar kein Problem.
Bis Griechenland hatte ich bereits eine Menge Tramper mitgenommen. Ein jeder hatte sich mittels Filzschreiber auf den Kotflügeln und Türen des Alexanders verewigt. Und nun war ich schon in der Türkei! Voller Stolz machte ich ein Foto von meinem Lloyd Alexander TS vor dem Ortsschild Istanbul!
Fortsetzung folgt